Falter des Monats März


Birkenspinner – Endromis versicolora (Linnaeus), 1758

Der Familienname ENDROMIDAE dieses haarigen, schnell, unstet und ruhelos fliegenden Schmetterlings wurde einer Sporttracht der Antike entlehnt. Der wissenschaftliche Artname „versicolora“ lässt sich über das bunte Wollkleid des Tieres aus.
Die Familie ist bei uns nur durch eine Gattung mit einer Art vertreten.
Die Verbreitung der Art erstreckt sich auf fast ganz Europa. Sie fehlt aber in Teilen des Mittelmeerraumes sowie teilweise auf den Britischen Inseln. Östliche Begrenzung ist das Amurgebiet.
Die Männchen, welche tag- und nachtaktiv sind, erscheinen in den ersten sonnig-warmen Vorfrühlingstagen und fliegen in den Mittagsstunden bei Sonnenschein in der Zeit der Forsythien-, Huflattich- und Birkenblüte, bereits dann also, wenn die Birken (Abb.) (Hauptnahrungspflanzen der Raupe) noch keine ausgebildeten Blätter haben. Zur selben Zeit kann man im gleichen Lebensraum  noch zwei weitere „Frühflieger“ beobachten, den Wollafter-Spinner (Eriogaster lanestris L.) und das Jungfernkind (Brephos parthenias L.). Der Birkenspinner (Abb.) ist ein echter Frühlingsbote. Es hat den Anschein, dass durch den allgemeinen Klimawandel insbesondere durch die im letzten Jahrzehnt aufgetretenen wärmeren Winter die Entwicklungszeit dieses schönen und etwa 8 cm Flügelspannweite großen Tieres – die Männchen sind wesentlich kleiner – jahreszeitlich immer weiter nach vorne versetzt wird. Die Art tritt bei uns stets nur einzeln in Wäldern, auf Birkenmooren, in Birkenhainen und auf Birkenschlägen, selten in Parklandschaften, auf. Der Birkenspinner ist einbrütig und hervorragend getarnt. Zuweilen können die Puppen mehrere Jahre überliegen. Beide Geschlechter haben gezähnte Fühler; ausgeprägter sind diese beim männlichen Tier. Der Saugrüssel ist verkümmert, was bedeutet, dass die Tiere während Ihres Falterdaseins keinerlei Nahrung aufnehmen.
Die frisch gelegten hellgelben Eier (Abb.) verfärben sich im Laufe ihrer Entwicklung mehrmals und sind kurz vor dem Schlüpfen der Räupchen fast schwarz.
Die Raupen leben bis zur dritten Häutung  (Abb.) in Trupps von 10-30 Tieren gesellig an einem Zweig und verteilen sich danach. Raupenzeit ist von Mitte April bis Juli. Die Raupen findet man an den unteren Ästen von Bäumen oder an Büschen. Sie leben polyphag, d.h. es werden verschiedene Wirtspflanzen als Nahrung belegt, bei uns in erster Linie die Birke (Betula). Aber u.a. auch an Erle (Alnus), Linde (Tilia ), Hainbuche (Carpinus), Ulme (Ulmus) und Hasel (Corylus) kann man die Raupen beobachten.
Die erwachsene Raupe (Abb.) ist unbehaart, ähnlich einer Schwärmerraupe mit einem spitzen Höcker auf dem Rücken des 11. Segments. Die Schrägstriche verlaufen, im Gegensatz zu denen der Schwärmer von hinten nach oben vorn. Sie wird rund 65 mm lang. Vor der Verpuppung verfärbt sich die Raupe, verlässt den Nahrungsbaum und läuft unruhig und lange umher, bevor sie sich einspinnt.
Die Verpuppung  (Abb.) erfolgt am Boden in der Streuschicht in einem feinmaschigen Gewebe. Die glanzlose, dunkelbraune und gedrungene Puppe hat eine runzelige Oberfläche und trägt auf den Segmenten eine Reihe kurzer und feiner Stacheln. Am Ende (Kremaster) hat sie außerdem ein Borstenbüschel. Dadurch ist sie in der Lage, sich mit rotierenden Bewegungen kurz vor dem Schlüpfen des Falters aus dem Kokon heraus zuarbeiten.
Es ist davon auszugehen, dass der Falter meistens schon lange vor dem eigentlichen Schlupftermin, wahrscheinlich schon vor der Überwinterung, fast vollständig entwickelt in seiner Puppenwiege ausharrt. Nur so ist zu erklären, dass die Falter die Puppenhülle bei Warmlufteinbrüchen sofort verlassen können.

zurück       Text und Bilder: K. Nimmerfroh, 30.3.2006          Arbeitskreis Lepidoptera im Entomologischen Verein Stuttgart        Lepidoptera-Startseite